Es ist kein Zufall, dass Politiker plötzlich alle Übergewichtigen dazu animieren möchten, ja geradezu nötigen, abzuspecken. Es ist aber auch kein Zufall, dass sie zur gleichen Zeit gegen die Hungermodels der Modeszene ins Feld ziehen, die die Magersucht zum Schönheitsideal erkoren haben. Was dahinter steckt, ist der Wunsch nach dem „rechten Maß“.
Dieser Wunsch bezieht sich selbstverständlich auf alle Lebensbereiche, in denen das rechte Maß abhanden gekommen ist. Und dieser Wunsch geht Hand in Hand mit der Forderung nach einer Erneuerung der gesellschaftlichen Werte. Der Ruf nach „Abspeckung“ ist aber auch das körperliche Pendant zur Forderung nach Disziplin und Selbstbeschränkung auf der gesellschaftlichen Ebene. Soll heißen: ... die Bürger leben über ihre Verhältnisse und sollen sich gefälligst einschränken und mit weniger auskommen, also abspecken.
Doch keine Sorge, Ihr Molligen und Gutgenährten. In harten und mageren Zeiten (wie wir sie zwischen 2008 und 2024 vermutlich erleben werden) sehnt man sich nach dem Weichen und dem, was man mit dem Genährtwerden assoziiert. Und welche Körperformen assoziiert man mit „weich“ und „Genährtwerden“? Die runden, mütterlichen Formen.
Meine Vermutung:
Runde und weiche Formen kommen bei Frauen in Mode. Sehnige, drahtige, harte, knochige, kantige und asketische Formen kommen bei Männern in Mode. Vorausgesetzt, die Gesellschaft hält an der alten Rollenverteilung fest. Was in Anbetracht der Erstarkung konservativer Kräfte nicht unwahrscheinlich ist.